Anfallsleiden (Epilepsie)

Als Anfallsleiden im engeren Sinne gilt die Epilepsie, bei der es zu Be­wusst­seins­ver­lust und Krämpfen kommt. Die Ursachen und Formen von An­falls­lei­den sind vielfältig. Im Arbeitsleben sind Schutzmaßnahmen zu beachten.

Bei der Epilepsie handelt es sich um Funktionsstörungen des Gehirns. Es kommt zu spontan und wiederholt auftretenden Anfällen. Sie dauern von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten und können sehr unterschiedliche Erscheinungsformen haben.

Wenn keine zusätzlichen Behinderungen hinzukommen, sind an Epilepsie erkrankte Menschen in der Regel nur durch die Symptome eingeschränkt, die während des Anfalls auftreten. Werden die heute zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten umfassend genutzt und erfolgt eine optimale Einstellung durch Medikamente, können bis zu 70 Prozent aller an Epilepsie erkrankten Menschen zuverlässig anfallsfrei leben. Trotz dieses – vor allem medizinischen – Fortschritts bestehen immer noch Vorurteile und Fehlinformationen über diese Erkrankung. Dies ist eines der größten Probleme, mit dem sich Betroffene auseinandersetzen müssen.

Ursachen von Anfallsleiden

Sie sind vielfältig und können zum Beispiel in Geburtsschäden liegen oder im Erwachsenenalter auf Hirnverletzungen, Hirntumore oder Blutungen zurückgehen. Etwa die Hälfte aller Epilepsien tritt bereits vor dem 10. Lebensjahr auf, ungefähr 2 Drittel bis zum 20. Lebensjahr. Das Auftreten eines einmaligen Anfalls oder einzelner Anfälle bedeutet jedoch nicht, dass der Betroffene an einer Epilepsie erkrankt ist. Etwa 5 Prozent der Bevölkerung erleiden mindestens einmal im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall (Gelegenheitsanfälle), ohne anfallskrank zu werden – zum Beispiel aufgrund von Fie­ber­krämp­fen, einer schweren Infektion, Alkohol- und Drogenkonsum oder Schlafentzug.

Erst wenn bei einem Menschen innerhalb eines Jahres mindestens 2 epileptische Anfälle ohne akute Ursache aufgetreten sind, spricht man von Epilepsie. In Deutschland sind rund 500.000 Menschen von Epilepsie betroffen (0,6 Prozent der Bevölkerung).

Verschiedene Anfallsformen

Es wird zwischen fokalen und generalisierten epileptischen Anfällen unterschieden. Bei fokalen Anfällen ist nur ein Teil des Gehirns betroffen, bei einem generalisierten Anfall das gesamte Gehirn. Die Anfälle sind in ihrem Ablauf und ihren Auswirkungen sehr unterschiedlich. Je nachdem, welche Hirnzentren von den krampfauslösenden Störungen betroffen sind, kommen ganz unterschiedliche Formen von Anfällen vor, von den „großen Anfällen“ (sogenannte Grand-mal-Anfälle) mit Bewusstseinsverlust und generalisierten Muskelkrämpfen, über lokalisierte Krämpfe einzelner Gliedmaßen bis hin zu anfallsweisen Dämmerzuständen (sogenannte Absencen) ohne Muskelkrämpfe.

Im Arbeitsleben zu beachten

Um Verletzungen und anfallsauslösende Belastungen auszuschließen, können zum Beispiel folgende Maßnahmen getroffen werden:

  • Einfache Schutzeinrichtungen an Maschinen anbringen.
  • Epilepsiekrankem Arbeitnehmer einen Platz zur Verfügung stellen, an den er sich zu­rück­zie­hen kann, wenn er spürt, dass ein Anfall auftritt.
  • Steuerungs- oder Überwachungstätigkeiten sowie die Betreuung Hilfebedürftiger un­ter­las­sen.
  • Schicht- und Akkordarbeit sowie Tätigkeiten in großer Hitze oder bei starker Lärm­ein­wir­kung vermeiden.
  • Von Berufen, die regelmäßig das Führen von Kraftfahrzeugen erfordern, wegen Un­fall­ge­fahr absehen. Allerdings dürfen epilepsiekranke Menschen Fahrzeuge führen, wenn sie eine bestimmte Zeit lang anfallsfrei geblieben sind und keine Hinweise auf eine erhöhte Anfallsbereitschaft vorliegen.

Neben dem Bemühen, anfallsauslösende Faktoren und erhöhte Verletzungsgefahren aus­zu­schal­ten, dürfen auch die psychosozialen Faktoren nicht übersehen werden. Die Un­vor­her­seh­bar­keit der Anfälle belastet die Betroffenen sehr, ruft Ängste und Ver­un­si­che­rung hervor. Daher ist es wichtig, das betriebliche Umfeld einzubeziehen. Kollegen und Vor­ge­setz­te müssen hinreichend über die Erkrankung informiert sein. Sie müssen wissen, wie sie sich während eines Anfalls zu verhalten haben und wann möglicherweise ein Arzt zu rufen ist.

Haftungs- und versicherungsrechtliche Bedenken

Haftungs- und versicherungsrechtliche Bedenken sind häufig genannte Gründe, an­falls­kran­ke Menschen nicht einzustellen. Dieses Risiko wird oft überschätzt. Der Ar­beit­ge­ber muss sein Haftungsrisiko realistisch einschätzen. Für Verletzungsfolgen, die un­mit­tel­bar durch einen Anfall verursacht werden, tritt die gesetzliche Krankenversicherung ein. Tragen betriebliche Einrichtungen, wie etwa laufende Maschinen, zu den Verletzungen bei, handelt es sich um einen Arbeitsunfall, für den die gesetzliche Unfallversicherung (Be­rufs­ge­nos­sen­schaf­ten [BG]) zuständig ist. Der Arbeitgeber haftet nur, wenn er den Ar­beits­un­fall vorsätzlich herbeigeführt hat. Auch strafrechtliche Konsequenzen hat der Arbeitgeber nicht zu befürchten, wenn er die Einsatzmöglichkeiten des betroffenen Mitarbeiters sorgfältig prüft. Hierbei kann er die fachkundige Beratung des Betriebsarztes, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Berufsgenossenschaften und des Technischen Beratungsdienstes des Integrationsamtes nutzen.

Stand: 30.09.2022

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