Geistige Behinderung

In vielen Betrieben beziehungsweise Dienststellen gibt es Arbeiten, die Menschen mit einer geistigen Behinderung erlernen und ausführen können.

Bei Menschen mit einer geistigen Behinderung handelt es sich keinesfalls um eine einheitliche Gruppe mit fest umschriebenen Eigenschaften. Ihre kognitive und motorische Leistungsfähigkeit sowie das sozial-emotionale Verhalten sind vielmehr unterschiedlich.

Es gibt Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, die alltägliche Abläufe weitgehend selbstständig bewältigen und sich an Schriftzeichen und Symbolen orientieren können. Andere hingegen können sich zum Beispiel nicht allein in einem Gebäude zurechtfinden und benötigen bei nahezu allen täglich wiederkehrenden Verrichtungen die Hilfe anderer.

Kognitive Beinträchtigung

Das zentrale Merkmal einer geistigen Behinderung ist eine erhebliche kognitive Beeinträchtigung - früher auch Lernbeeinträchtigung genannt. Ursache ist in der Regel eine Hirnschädigung oder Hirnfunktionsstörung. Die Lernbeeinträchtigung zeigt sich zum Beispiel im frühkindlichen Alter als deutliche Entwicklungsverzögerung, die alle Bereiche der kindlichen Entwicklung betrifft, an denen Lernen wesentlich beteiligt ist. Im Zusammenhang damit ist beispielsweise die Beeinträchtigung der Wahrnehmung und der Sprache zu sehen. Der Spracherwerb setzt oft später und verlangsamt ein. Es treten Schwierigkeiten beim Erlernen von Wortbedeutungen und grammatikalischen Regeln auf.

Unterscheidungsmerkmale

Es wird zwischen leichter, mäßiger und schwerer geistiger Behinderung unterschieden. Allerdings können ärztliche Gutachten, Ergebnisse von Intelligenztests oder der Grad der Behinderung (GdB) im Schwerbehindertenausweis kaum etwas darüber aussagen, welchen Anforderungen – etwa an einem regulärenn Arbeitsplatz – ein Mensch mit geistiger Behinderung gewachsen ist.

In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) werden die Begriffe „Lernbehinderung“ und „geistige Behinderung“ nicht mehr verwendet. Stattdessen wird von „Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit“ gesprochen.

Grade der Behinderung

  • Ein Grad der Behinderung von 30 bis 40 wird festgestellt, wenn nach Abschluss der Schule noch weitere Bildungsfähigkeit besteht und zum Beispiel eine Berufsausbildung unter Nutzung von Sonderregelungen für Menschen mit Behinderung möglich ist.
  • In einer weiteren Stufe kann ein Grad der Behinderung von 50 bis 70 und damit eine Schwerbehinderung unterstellt werden, wenn ein Mensch mit Behinderung nicht in der Lage ist, sich selbst unter Nutzung der Sonderregelungen für Menschen mit Behinderung in anerkannten Ausbildungsgängen beruflich zu qualifizieren.
  • Bei Intelligenzmängeln mit stark eingeengter Bildungsfähigkeit und erheblichen Mängeln im Spracherwerb ergibt sich je nach Schwere ein Grad der Behinderung von 80, 90 oder 100.

Berufliche Möglichkeiten

Viele junge geistig behinderte Menschen finden nach der Schulentlassung Trainings- und Beschäftigungsmöglichkeiten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM). Allerdings zeigen jüngere Erkenntnisse und Erfahrungen, dass der Weg in die Werkstatt nicht zwingend sein muss: Ein Teil der geistig behinderten Menschen kann mit mehr Aussicht auf Erfolg in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden als bisher angenommen.

In vielen Betrieben beziehungsweise Dienststellen gibt es Arbeiten, die geistig behinderte Menschen erlernen und dann auch relativ selbstständig ausführen können, zum Beispiel Hilfstätigkeiten in Bauberufen, in der Lagerhaltung, in Gärtnereien, in Küchen und in sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Heimen.

Je nach Schwere der Beeinträchtigung sind geistig behinderte Menschen in der Lage, durch Handeln in lebensnahen Situationen zu lernen. Bei frühzeitiger Förderung können sie vergleichbare Arbeitsleistungen wie Menschen ohne Behinderungen erreichen. Diese Integration bedarf allerdings der fachlichen Begleitung. Der Erfolg hängt von der Beratung, der Auswahl des Arbeitsplatzes und der Betreuung ab (vergleiche Profilmethode).

Im Arbeitsleben zu beachten

Die Erfahrung zeigt, dass geistig behinderte Menschen vielfach hoch motiviert und zuverlässig arbeiten, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zum Beispiel:

  • Es sollte einen festen Ansprechpartner im Betrieb geben, mit dem die Arbeit wie auch die betrieblichen Angelegenheiten besprochen werden können.
  • Die betrieblichen Aufgaben sollten zeitlich, räumlich und vom Ablauf her klar definiert sein. Überschaubare Routinetätigkeiten eignen sich besonders gut.
  • Arbeitsaufgaben sollten – mit entsprechender Hilfestellung – so lange eingeübt werden, bis der Arbeitnehmer sie verstanden hat.
  • Dem Mitarbeiter sollten soziale Kontakte im Arbeitsumfeld ermöglicht werden.
  • Der Arbeitsplatz sollte keine größeren Gefahrenquellen bergen, da diese möglicherweise nicht als solche erkannt werden.

Hilfen zur Integration

Heutzutage werden verstärkt Anstrengungen unternommen, um geistig behinderten Menschen den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu öffnen. Dies gilt auch für Mitarbeiter einer Werkstatt für behinderte Menschen. Es ist Aufgabe einer Werkstatt, den Übergang geeigneter Beschäftigter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch entsprechende Maßnahmen zu fördern. Daran können die von den Integrationsämtern beauftragten Integrationsfachdienste beteiligt werden.

Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem Beratung und Betreuung von Arbeitnehmern sowie deren Arbeitgebern. Das heißt, in der Praxis trainieren und begleiten beispielsweise Ergotherapeuten geistig behinderte Menschen so lange am Arbeitsplatz, bis eine stabile Beschäftigung erreicht ist. Neben fachlich-technischen Fähigkeiten werden vor allem allgemeine Fähigkeiten des Arbeitsverhaltens trainiert, wie zeitliche und räumliche Orientierung, Kontaktaufnahme, Motivation und Ausdauer, Verantwortung für die Arbeit, Verstehen von Anweisungen.

Es hat sich herausgestellt, dass Praktika oder ein Probearbeitsverhältnis gerade für geistig behinderte Menschen eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Eingliederung sind. Sie ermöglichen ein gegenseitiges Kennenlernen, das sowohl dem Betrieb als auch dem behinderten Menschen Rückzugsmöglichkeiten offenlässt.

Etwas mit Tieren

Mit Tieren arbeiten – das ist Celina Prehls Vorstellung von ihrem künftigen Beruf. In einer Werkstatt für Menschen mit Behin­derung möchte die junge Förderschülerin mit kognitiver Beeinträchtigung nicht arbeiten. Über ein Praktikum auf dem Elisenhof gelingt ihr der Einstieg in eine anerkannte Berufs­ausbildung zur Fachpraktikerin für Pferde­wirtschaft – eine der ersten in Nordrhein-Westfalen.

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Das Foto zeigt eine junge Frau beim Satteln eines Pferdes.

Stand: 30.09.2022

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