Mehrarbeit

Dieser Beitrag gibt eine Definition des Begriffs Mehrarbeit und erläutert, in welchen Fällen Menschen mit Schwerbehinderung sich von Mehrarbeit sowie Nachtarbeit freistellen lassen können.

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Beschäftigte sind auf ihr Verlangen hin von Mehrarbeit freizustellen (§ 207 SGB IX). Der Begriff der Mehrarbeit richtet sich dabei nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG, siehe dort vor allem die §§ 2-3).

Definition der Mehrarbeit

Mehrarbeit nach § 207 SGB IX ist diejenige Arbeit, welche über die normale gesetzliche Arbeitszeit von 8 Stunden werktäglich hinausgeht. Die individuell vereinbarte oder tarifliche regelmäßige Arbeitszeit spielt somit bei der Bewertung von Mehrarbeit keine Rolle. Überstunden bedeuten deshalb nur dann Mehrarbeit nach § 207 SGB IX, wenn die 8-Stun­den-Grenze überschritten wird (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3.12.2002 – 9 AZR 462/01; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2006 – 9 AZR 176/06).

Die Infografik erläutert den Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit anhand der täglichen Arbeitszeiten von vier Beschäftigten, genannt Martin, Lisa, Frank und Emre. Nur bei Martin und Emre ist die geleistete Überstunde gleichzeitig Mehrarbeit, da sie beide über der werktäglich erlaubten Dauer von 8 Stunden liegen. Lisa und Frank bleiben trotz einer Plusstunde unterhalb der 8-Stunden-Grenze und leisten deshalb keine Mehrarbeit.

Freistellung von Mehrarbeit

Für die Freistellung von Mehrarbeit genügt, dass das Freistellungsverlangen gegenüber dem Ar­beit­ge­ber (möglichst schriftlich) geltend gemacht wird. Einer besonderen Frei­stel­lungs­er­klä­rung des Arbeitgebers bedarf es bei berechtigtem Anspruch auf Frei­stel­lung von Mehr­ar­beit nicht.

Kein Mehrarbeitsverbot

Die Vorschrift des § 207 SGB IX stellt kein Verbot der Mehrarbeit dar. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer soll aber gegen seinen Willen nicht zusätzlich belastet werden. Deshalb ist es ihm überlassen, ob er von seinem Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit Gebrauch macht oder nicht. Verlangt er die Freistellung, kann er die werktägliche Arbeitsleistung über 8 Stunden hinaus verweigern, wenn der Arbeitgeber diesem Anspruch nicht freiwillig nachkommt.

Bereitschaftsdienst

Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz und ist bei der Bestimmung von Mehrarbeit zu berücksichtigen.

Nachtarbeit

Für Nachtarbeit besteht im SGB IX keine Regelung, die der zur Mehrarbeit entspricht. Aus den besonderen Pflichten der Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten (§ 164 Absatz 4 SGB IX) kann sich jedoch im Einzelfall die Unzumutbarkeit von Nachtarbeit ergeben (vergleiche Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3.12.2002 – 9 AZR 462/01).

Auch Teilzeitbeschäftigte sind in den Schutzbereich des § 207 SGB IX einbezogen. Die Vorschrift ist auf Teilzeitbeschäftigte jedoch nicht schon dann anwendbar, wenn sie ihre persönliche tägliche Arbeitszeit überschreiten, sondern erst, wenn die gesetzliche tägliche Arbeitszeit überschritten wird. Bei teilzeitbeschäftigten schwerbehinderten Menschen mit einer täglichen Arbeitszeit von weniger als 8 Stunden ist § 207 SGB IX daher bis zum Erreichen der 8-Stunden-Grenze mangels Mehrarbeit im Sinne dieser Vorschrift nicht anwendbar. Bei einer arbeitgeberseitigen Anordnung zur vorübergehenden Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über die individuelle normale tägliche Arbeitszeithinaus bis unterhalb 8 Stunden kann in besonderen Einzelfällen aber außerhalb des § 207 SGB IX ein Anspruch eines schwerbehinderten Teilzeitbeschäftigten auf Freistellung von dieser zusätzlich angeordneten Arbeitszeit bestehen: Voraussetzung ist, dass die Teilzeitarbeit aus behinderungsbedingten Gründen nach § 164 Absatz 5 Satz 3 SGB IX erfolgt und der betroffene behinderte Mensch aufgrund Art und Schwere seiner Behinderung nicht in der Lage ist, auch nur vorübergehend arbeitstäglich mehr als die von ihm normalerweise zu erbringende Arbeitszeit zu leisten. In diesem Fall kann sich der schwerbehinderte Mensch auf die Verpflichtung des Arbeitgebers zur behinderungsgerechten Beschäftigung nach § 164 Absatz 4 SGB IX, die auch Arbeitszeitfragen umfasst („… Gestaltung … der Arbeitszeit …“), in entsprechender Anwendung des Urteils des Bundesarbeitsgerichtes vom 3.12.2002 zur Nachtarbeit berufen.

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Wochenendarbeit

Beansprucht ein schwer­behinderter Arbeit­nehmer, nicht mehr zu Wochen­end­diensten heran­gezogen zu werden, muss er darlegen und gege­benen­falls beweisen, dass er die damit verbundenen Tätig­keiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen kann. Die Anordnung von Wochen­end­diensten ist grundsätzlich vom Direk­tions­recht des Arbeit­gebers umfasst. Mehrarbeit im Sinne von § 207 SGB IX liegt vor, wenn die werk­täg­liche Arbeits­zeit von 8 Stunden oder die Verteilung der Arbeits­zeit auf 6 Tage in der Woche über­schritten wird.

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Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis

Stand: 30.09.2022

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