Nachteilsausgleiche

Für Menschen mit Schwerbehinderungen gibt es nach verschiedenen Gesetzen und Ver­ord­nun­gen eine Reihe an Nach­teils­aus­glei­chen, etwa Steuererleichterungen oder besondere Parkausweise. Diese Leistungen dienen dazu, die aufgrund der Be­hin­de­rung bestehenden Einschränkungen und Mehrkosten abzufedern.

Das SGB IX sowie eine Vielzahl von Vorschriften in anderen Gesetzen, Verordnungen, Er­las­sen, Satzungen, Tarifen und so weiter bieten behinderten Menschen als Nach­teils­aus­glei­che eine Reihe von Rechten und Hilfen.

Nachteilsausgleiche können überwiegend nur genutzt werden, wenn eine Schwer­be­hin­de­rung und weitere Voraussetzungen durch einen Schwerbehindertenausweis nachgewiesen werden können. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn offensichtlich eine Schwerbehinderung vorliegt, können Rechte auch ohne formellen Nachweis durchgesetzt werden.

Die folgende Darstellung beschränkt sich hier auf einen Überblick über die wich­tigs­ten Nachteilsausgleiche.

Einkommen- und Lohnsteuer

Menschen mit Behinderung und insbesondere Schwerbehinderung wird bei der Einkommen- und Lohnsteuer ein pauschaler Freibetrag wegen der Behinderung eingeräumt. Dieser pauschale Freibetrag muss beim Finanzamt beantragt werden. Er wird dann in der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragen.

Umfang der Pauschbeträge

Durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 erfolgte eine wesentliche Vereinfachung der Geltendmachung von behinderungsbedingten Mehraufwendungen ab dem Jahr 2021.

Der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 1 EstG dient der Vereinfachung im steu­er­li­chen Massenverfahren. Der Pauschbetrag umfasst die Aufwendungen für die so­ge­nann­ten Verrichtungen des täglichen Lebens, zum Beispiel

  • Aufwendungen für die Körperpflege,
  • Hygieneartikel oder
  • Pflegeleistungen.

Für diese Aufwendungen kann anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EstG der Be­hin­der­ten-Pausch­be­trag geltend gemacht werden. Das Sammeln und Vorhalten von Einzelbelegen ist dann nicht erforderlich. Der Pauschbetrag kommt unabhängig von der Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen zum Ansatz. Durch diesen Nach­weis­ver­zicht entfällt für Menschen mit Behinderungen Aufwand bei der Erstellung ihrer Ein­kom­men­steu­er­er­klä­rung sowie für das zuständige Finanzamt Aufwand bei der späteren Bearbeitung der Ein­kom­men­steu­er­er­klä­rung. Lediglich der Nachweis der Behinderung wird für den Be­hin­der­ten-Pausch­be­trag benötigt.

Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen

Für alle übrigen behinderungsbedingten Aufwendungen, die nicht vom Wahlrecht zum Be­hin­der­ten-Pausch­be­trag umfasst sind, gilt die allgemeine Vorschrift zur Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG. Diese Aufwendungen führen zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer, soweit die Aufwendungen für die außergewöhnlichen Belastungen insgesamt die Höhe der zumutbaren Belastung (§ 33 Absatz 3 Satz 1 EStG) übersteigen.

Neben dem Pauschbetrag können zum Beispiel angesetzt werden:

  • Außerordentliche Krankheitskosten, die durch einen akuten Anlass verursacht werden, zum Beispiel Kosten einer Operation, einer Heilbehandlung, Arznei- und Arztkosten,
  • Ausgaben für eine Heilkur, die aufgrund eines vor Kurantritt ausgestellten amtsärztlichen Attestes durchgeführt wird (die ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung steht dem amtsärztlichen Attest gleich),
  • behinderungsbedingte Umrüstungskosten für ein Auto,
  • behinderungsbedingte Umbaukosten der Wohnung.

Höhe des Behinderten-Pauschbetrages ab dem Jahr 2021

Grad der Be­hin­de­rung von min­des­tens Hö­he des Pausch­be­tra­ges pro Jahr
 20 384 Euro
 30 620 Euro
 40 860 Euro
 50 1.140 Euro
 60 1.440 Euro
 70 1.780 Euro
 80 2.120 Euro
 90 2.460 Euro
100 2.840 Euro
100 und Merk­zei­chen
 „Bl“ (Blind­heit),
 „TBl“ (Taub­blind­heit) oder
 „H“ (Hilf­lo­sig­keit)
7.400 Euro

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Fahrtkosten

Für die Berücksichtigung behinderungsbedingter Fahrkosten wurde ebenfalls eine neue, nach Grad der Behinderung gestaffelte Pauschale eingeführt. Die aktuellen Sätze sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:

Anspruchsvoraussetzungen und Höhe der behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale

Grad der Be­hin­de­rung von min­des­tens Merk­zei­chen Hö­he der be­hin­de­rungs­be­ding­ten Fahrt­kos­ten­pau­scha­le
70 „G“ (erheb­liche Geh­be­hin­de­rung) 900 Euro
80 900 Euro
„aG“ (au­ßer­ge­wöhn­li­che Geh­be­hin­de­rung)
„Bl“ (Blind­heit)
„TBl“ (Taub­blind­heit)
„H“ (Hilf­lo­sig­keit)
4.500 Euro

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Die Pauschale hat abgeltende Wirkung, das heißt anstelle oder zusätzlich zu der Pauschale sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig.

Die neue Pauschale können alle Steuerpflichtigen mit Behinderungen beantragen, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Sollten die Anspruchsvoraussetzungen für beide Pauschalbeträge erfüllt sein, wird die höhere Pauschale gewährt.

Die behinderungsbedingten Fahrtkosten sind Teil der allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen. Von der Gesamtsumme der außergewöhnlichen Belastungen, wozu auch die behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale hinzugerechnet wird, wird bei der Berechnung der Einkommensteuer noch die Minderung um die zumutbare Belastung vorgenommen.

Auskünfte über diese und weitere steuerliche Fragen (zum Beispiel Grundsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Umsatz- und Vermögenssteuer), sowie über gegebenenfalls weitere Einzelfallregelungen, alternative und weitere An­rech­nungs­mög­lich­kei­ten gibt das zuständige Finanzamt. Dort ist auch die aktuelle Höhe der verschiedenen Freibeträge zu erfahren.

Versicherung von Elektrorollstühlen

Rollstühle mit einer Geschwindigkeit bis circa 6 Kilometer pro Stunde können bei einigen Versicherern prämienfrei in die Privathaftpflichtversicherung eingeschlossen werden.

Kfz-Gebühren

Entstehen beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) oder der Straßenverkehrsbehörde behinderungsbedingte zusätzliche Gebühren, wie zum Beispiel

  • Eignungsgutachten,
  • Eintragung besonderer Bedienungseinrichtungen oder
  • Auflagen im Führerschein,

für die kein anderer Kostenträger aufkommt, so kann die für die Erhebung der Gebühren zuständige Stelle Gebührenermäßigung oder Gebührenbefreiung gewähren. Für Gebühren, die auch ohne die Behinderung zu entrichten wären, etwa für die regelmäßige Überprüfung des Fahrzeuges, ist keine Befreiung oder Ermäßigung möglich.

Parken

Außergewöhnlich gehbehinderte Menschen (Ausweismerkzeichen aG), blinde Menschen (Ausweismerkzeichen Bl) und Contergan-Geschädigte (beidseitige Amelie oder Phokomelie) oder Menschen mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen können vom Stra­ßen­ver­kehrs­amt den blauen europäischen Parkausweis erhalten.

Außerdem können folgende Personen Parkerleichterungen durch Ausnahmegenehmigung bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde beantragen:

  • schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen G und B sowie einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 allein für Funktionseinschränkungen an den unteren Gliedmaßen
  • schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen G und B sowie einem Grad der Behinderung von wenigstens 70 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen und gleichzeitig einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 für Funktionsstörungen des Herzens und der Atmungsorgane
  • schwerbehinderte Menschen, die an Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa erkrankt sind, wenn hierfür ein Grad der Behinderung von wenigstens 60 vorliegt
  • schwerbehinderte Menschen mit künstlichem Darmausgang und zugleich künstlicher Darmableitung, wenn hierfür ein Grad der Behinderung von wenigstens 70 vorliegt

Ihnen wird dann für 5 Jahre ein bundeseinheitlicher orangefarbener Parkausweis ausgestellt, der stets widerrufen werden kann. Dieser Ausweis gilt, anders als der europaweit gültige Ausweis, lediglich für das Bundesgebiet.

Der orangefarbene Ausweis berechtigt nicht zur Nutzung von ausgewiesenen Be­hin­der­ten­park­plät­zen. Dies ist bundesweit weiterhin nur mit dem blauen Park­aus­weis gestattet.

Dieser blaue europäische Parkausweis für Behindertenparkplätze ist zusätzlich bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu beantragen. Er wird in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) anerkannt und ist mit einem Lichtbild zu versehen. Damit können Parkerleichterungen genutzt werden, die im jeweiligen Mitgliedsstaat eingeräumt werden. Der Ausweisinhaber erhält eine von der Europäischen Union herausgegebene Broschüre, die die Nutzungsmöglichkeiten in den einzelnen Ländern beschreibt.

Mit diesem blauen Parkausweis hinter der Windschutzscheibe darf man zum einen im ein­ge­schränk­ten Halteverbot und auf für Anwohner reservierten Parkplätzen bis zu 3 Stunden parken (Parkscheibe erforderlich).

Verkehrsschild Halteverbot
Zusatzschild für Halteverbotszonen: Bewohner mit dezidierten Parkausweisen frei.

Weiter darf mit dem blauen Parkausweis im Zonenhalteverbot und auf gekennzeichneten öffentlichen Parkflächen die zugelassene Parkdauer überschritten und in Fußgängerzonen während der Ladezeiten geparkt werden.

Verkehrsschild Halteverbotszone.

Inhaber dürfen sowohl an Parkuhren und bei Parkscheinautomaten ohne Gebühr und zeit­li­che Begrenzung parken, ferner auf reservierten Parkplätzen, die durch ein Schild mit dem Rollstuhlfahrersymbol gekennzeichnet sind.

Zusatzschild Rollstuhlfahrer (für Personen mit Einschränkungen und Behinderungen)

Zudem darf in verkehrsberuhigten Bereichen außerhalb der gekennzeichneten Flächen geparkt werden, wenn der Durchgangsverkehr dadurch nicht behindert wird.

Verkehrsschild für verkehrsberuhigte Zone

Das Straßenverkehrsamt kann für einzelne Menschen mit Schwerbehinderung mit au­ßer­ge­wöhn­li­cher Gehbehinderung (Ausweismerkzeichen aG) und blinde Menschen (Ausweismerkzeichen Bl) einen einzelnen Parkplatz, zum Beispiel vor der Wohnung oder in der Nähe der Arbeitsstätte, reservieren.

Für andere körperbehinderte Menschen (zum Beispiel ohne Hände) gibt es zusätzliche Erleichterungen, über die die Straßenverkehrsbehörden informieren.

Den Ausweis können auch schwerbehinderte Menschen, die selbst nicht fahren können, mit Merkzeichen aG und blinde Menschen mit Merkzeichen Bl erhalten. In diesen Fällen ist den behinderten Menschen eine Ausnahmegenehmigung auszustellen, die besagt, dass der sie jeweils befördernde Kraftfahrzeugführer von den entsprechenden Vorschriften der Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung befreit ist.

Wohngeld

Hier gelten für schwerbehinderte Menschen (Grad der Behinderung 100 oder unter bestimmten Umständen auch mit einem geringeren Grad, wenn häusliche Pflegebedürftigkeit besteht) Sonderregelungen. Auskünfte erteilen die Wohngeldstellen der Gemeinden.

Sozialer Wohnungsbau

Zu Sonderregelungen für schwerbehinderte Menschen im sozialen Wohnungsbau informieren die Ämter für Wohnungswesen der Kreis- und Stadtverwaltungen. In diesem Bereich sind bei den Gerichtskosten und Notariatsgebühren Nachlässe möglich

Rundfunk- und Fernsehgebühren

Mit dem Schwerbehindertenausweis (Ausweismerkzeichen RF) können schwerbehinderte Menschen bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eine Ermäßigung von der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht beantragen. Taubblinde Menschen mit dem Aus­weis­merk­zei­chen TBl sind von der Rundfunkbeitragspflicht befreit.

Telefonkosten

Blinde, gehörlose, sprachbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 90 und schwerbehinderte Menschen mit Ausweismerkzeichen RF im Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis können bei der Deutschen Telekom Telefonanschlüsse zu einem reduzierten Grundpreis (So­zi­al­an­schlüs­se) beantragen. Im Handel sind zahlreiche Spe­zi­al­te­le­fo­ne und Zusatzgeräte für Menschen mit Behinderung erhältlich.

Prüfungsmodifikationen

Nach Empfehlung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sind von den Kammern bei der Durchführung von Abschluss- beziehungsweise Gesellenprüfungen die besonderen Belange von Menschen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderung bei der Prüfung zu berücksichtigen.

Die meisten Prüfungsordnungen für Staatsexamina sowie Bachelor- und Mas­ter­stu­di­en­gän­ge sehen ausdrücklich Maßnahmen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile vor (beispielsweise gesonderte mündliche Prüfungen). Der Beschluss der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz vom 13.10.2000 regelt Nachteilsausgleiche für behinderte Studierende für Prüfungen an Hochschulen. Im Rahmen der üblichen Vorlesungen ist es wichtig, auf die Lehrenden zuzugehen und sie auf die besondere persönliche Situation hinzuweisen.

Medien und Arbeitshilfen

Cover des ZB Ratgebers zum Thema Nachteilsausgleiche.
Downloads und Arbeitshilfen

Nachteilsausgleiche

Im ZB Ratgeber „Nachteilsausgleiche“ geht es um sämtliche Rechte und Hilfen für Menschen mit Behinderung. Neben Fragen und Antworten, gibt es Tipps aus der Praxis.

Stand: 30.09.2022

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